Prototypen bauen für ein künftiges Observatorium der Astroteilchenphysik

Laura Baudis

Für den Bau von drei Detektor-Prototypen für das Experiment Darwin erhält die Astroteilchenphysikerin Laura Baudis einen Advanced ERC Grant. Sie will damit Grosses schaffen - selbst die Reviewer bezeichnen das Forschungsvorhaben als äussert ambitioniert. 

Was war Ihre erste Reaktion als Sie erfuhren, dass Sie einen ERC Advanced Grant erhalten?

Laura Baudis: Ich habe mich natürlich sehr gefreut -  ich wäre offen gestanden enttäuscht gewesen, wenn ich den Grant nicht erhalten hätte. In das Gefühl der Freude mischt sich aber logischerweise auch das Gefühl für die Verantwortung, die ich mit diesem Grant übernehme.

Sie haben grosse Erfahrung im Bau von Detektoren. Mit Ihrem neuen Projekt «Xenoscope» wollen Sie für den 100 Millionen Euro Detektor «Darwin» eine neue Nachweistechnologie und drei Detektor-Prototypen entwickeln. Zuerst aber, was genau ist «Darwin», und was tut er?

Laura Baudis: Darwin ist der ultimative Detektor für den Nachweis von Dunkler Materie und Neutrinos. Er soll dereinst von einer internationalen Kollaboration gebaut werden. Allein von seiner Grösse wird er der grösste Flüssig-Xenon-Detektor sein, der je entwickelt wurde. Im Projekt «Xenoscope» wird meine Gruppe nun neue Lichtsensoren testen und drei Detektor-Prototypen für das künftige Darwin-Experiment bauen.

Wo liegen für Sie die besonderen Herausforderungen von Xenoscope?

Laura Baudis: Was wir hier tun, ist gleichzeitig Forschung und Entwicklung. Eines unserer Ziele ist es, die Nachweisbarkeit von Photonen zu verbessern, also empfindlichere Nachweisgeräte zu bauchen. Dabei werden wir auf eine andere Technologie setzen als bisher. In den  bisherigen Detektoren weisen wir Photonen mit Hilfe von sogenannten Standard Photo-Multiplier-Tubes nach (PMT). Für «Xenoscope» werden wir Halbleiter-basierte Arrays verwenden, sogenannte Silicon-Photomultiplier- Arrays (Silicon-PM-Arrays). Wir wollen testen, ob die Eigenschaften dieser Sensoren für den Bau von Dunkle-Materie-Detektoren geeignet sind.  

Was geschieht mit diesen Arrays?

Laura Baudis: Die Arrays werden in flüssiges Xenon in eine Zeitprojektionskammer, d.h. in einen Detektor eingebettet. Und hier kommt die zweite grosse Herausforderung ins Spiel:  Unser Prototyp soll in seiner Länge der z-Achse des künftigen Darwin-Detektors entsprechen, d.h. er wird 2,6 Meter lang sein. Der grösste bisher gebaute Detektor dieses Typs misst 1 Meter und enthält drei Tonnen flüssiges Xenon. Bis jetzt steht der Nachweis aus, ob ein Flüssig-Xenon-Detektor in der geplanten Grösse überhaupt funktioniert – wir wissen beispielsweise nicht, ob uns nicht alle Elektronen auf diese Strecke verloren gehen. 

Weshalb setzen Sie neuerdings auf Silicon PM-Arrays?

Silicone PM Arrays sind kompakter und kleiner, haben weniger Störereignisse und sind weniger radioaktiv als unsere bisherigen PMTs, die wir für XENON1T entwickelt haben.  Sie haben aber auch Nachteile: zum Beispiel ein höheres Rauschen bei der Temperatur von flüssigem Xenon (minus 100 Grad Celsius). Ihre Kleinheit – zwölf mal zwölf Quadratmillimeter – stellt uns vor die grosse Frage, wie wir die Arrays gruppieren, damit wir nicht für jeden Array einen eigenen Auslesekanal brauchen.

Für welche Dauer läuft der Grant, und was bedeutet er in Forschungsstellen?

Laura Baudis: Der Grant hat eine Dauer von fünf Jahren, ich werde im Oktober beginnen. Beantragt habe ich zwei Postdocs und drei Doktorandenstellen. Die Reviewer waren der Meinung, dass es sehr ambitioniert sei, mit so wenigen Leuten in so kurzer Zeit das gesteckte Ziel zu erreichen. Ich bin aber zuversichtlich.

Was werden diese fünf Leute genau tun?

Wir werden auf der einen Seite die oben skizzierten technischen Herausforderungen angehen, und auch die Ausleseelektronik für die neuen Photodetektoren entwickeln. Ein anderer Teil der Arbeit wird in theoretischen Studien bestehen. Dort geht es darum, was man mit einem Detektor wie Darwin neben Dunkler Materie alles messen kann – z.B. Sonnenneutrinos, Neutrinos aus Supernova Explosionen, oder der neutrinolose Doppelbetazerfall in 136-Xe. Ich bin der Meinung, dass ein Detektor dieser Dimension mehr können muss, als Dunkle Materie nachzuweisen und dass wir bereits jetzt in der Prototyp-Phase darüber nachdenken müssen.

Nach dem Nachweis der Dunklen Materie ist also nicht Schluss in der Astroteilchenphysik?

Laura Baudis: Nein. Wir müssen uns jetzt schon Gedanken machen, wie es weitergeht, damit junge Nachwuchsforscher in der Physik eine Zukunftsperspektive haben.

Frau Baudis, herzliche Gratulation zum Grant und viel Erfolg mit Xenoscope!

Laura Baudis: Danke, das können wir gut gebrauchen.

Calista Fischer

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